Tägliche Archive: 04/11/2022

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2022 European Researchers‘ Night

Am Freitag, dem 30.September 2022, fand die Europäische Forschernacht #EuropeanResearchersNight vor Ort an der Universität für angewandte Kunst in Wien und online statt.

Die Veranstaltung findet einmal im Jahr in verschiedenen Städten in ganz Europa statt, um Informationen über aktuelle Forschungsprojekte zu geben und Einblicke in den Alltag der Forscher zu ermöglichen.
Die AVÖ hat mit Victoria Zach und Felix Radlinger und Unterstützung der Forschungsgruppe für Finanz- und Versicherungsmathematik (FAM) der TU Wien zwei Anwendungen zu den Themen Wahrscheinlichkeitstheorie und Berechnung der Lebenserwartung vorgestellt und mit Hilfe von Simulationen und Modellen Kinder zum Mitmachen und Mitdenken angeregt.

Ziel war es, vor allem Schülerinnen und Schüler auf die Vielzahl der Anwendungen der Mathematik im Alltag aufmerksam zu machen und einen Einblick in die Finanz- und Versicherungsmathematik zu geben.

Das Fazit unserer Aktuar: innen vor Ort: „Es war eine sehr gute Gelegenheit jungen Menschen die Mathematik bzw. die Aufgaben eines:einer Aktuar:in näher zu bringen. Überraschend war die überdurchschnittliche Nennung der Mathematik als Lieblingsfach in der Schule – es war also definitiv das richtige Publikum.“

Die AVÖ bei der Mathematik-Olympiade

Im Rahmen der 53. Mathematik-Olympiade hat die AVÖ den teilnehmenden Schüler:innen die Tätigkeiten von Aktuar:innen nähergebracht.

Bei der Siegerehrung des Junior-Regionalwettbewerbs für Bgld/NÖ/W im BRG Schopenhauerstraße wurden die Schüler:innen auch zur interaktiven Teilnahme angeregt und befragt wo aus Ihrer Sicht Mathematiker:innen zum Einsatz kommen. Die Resonanz war ausgesprochen positiv und die große Anzahl an Rückmeldungen war auf alle Fälle überraschend. Valerie Eberhartinger und Felix Radlinger haben die Vielfältigkeit des Aktuarberufs herausgestrichen, um das ohnehin bereits Mathematik-affine Publikum für ein Studium der Finanz- und Versicherungsmathematik zu begeistern.

 

Damit die AVÖ nicht nur durch den Vortrag einen bleibenden Eindruck hinterlässt, wurden die T-Shirts der Teilnehmer:innen mit dem AVÖ-Logo verschönert.

Überarbeitete Leitlinien zur Bewertung von versicherungstechnischen Rückstellungen

Im Zuge der Überprüfung von Solvency II im Jahr 2020 stellte EIOPA mehrere unterschiedliche Praktiken in Bezug bei der Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen fest. Um eine konsistente Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen zu gewährleisten, hat EIOPA überarbeitete Leitlinien herausgegeben, die mit 1.1.2023 Gültigkeit haben werden.
Die neuen Leitlinien behandeln die Governance und Dokumentation bei der Festlegung von Annahmen für die Bewertung der technischen Rückstellungen sowie bei der Anwendung von Expertenbeurteilung und deren Validierung. Zudem sollen wesentliche Annahmen auf einer Ebene mit hinreichend hoher Verantwortung genehmigt werden, das betrifft Annahmen, die wesentlichen Einfluss auf die versicherungstechnischen Rückstellungen haben sowie beispielsweise in der Lebens- und Krankenversicherung die Managementregeln.
Weitere Konkretisierungen machen die Leitlinien bei der Berücksichtigung der Aufwendungen für die Kapitalanlageverwaltung und der Entwicklung der Kosten und halten fest, dass Inflationserwartungen bei der Kostenentwicklung berücksichtigt werden. Zudem sagen die Leitlinien, dass nur aufgrund des Fehlens von Daten über das dynamische Versicherungsnehmerverhalten es unzulässig ist, dieses nicht zu berücksichtigen.
Die Leitlinien legen auch fest, dass bei der Festlegung der Managementregeln die Auswirkungen von zukünftigen Neugeschäft – insbesondere auf die Kapitalveranlagung und die Gewinnbeteiligung – berücksichtigt werden müssen.
Zudem geben die Guidelines konkrete Vorgaben über die Bewertung des EPIFPs (Expected Profits in Future Premiums) und erfordern, dass Verträge so behandelt werden als seien sie weiterhin gültig statt als rückgekauft betrachtet zu werden und es sollen keine Rückkaufabschläge berücksichtigt werden. Weiterhin sollen alle Annahmen nicht angepasst werden um zu berücksichtigen, dass künftige Prämien nicht erhalten werden.
Einige dieser Leitlinien stellen Themenbereiche klar, die auch heute von den versicherungsmathematischen Funktionen bereits entsprechend behandelt werden, bei anderen Leitlinien, wie z.b. beim EPIFP gibt es vermutlich etwas Anpassungsbedarf bei den aktuellen Bewertungen.

Die überarbeiteten Leitlinien sind auf der EIOPA Homepage zu finden: https://www.eiopa.europa.eu/document-library/guidelines/revised-guidelines-valuation-of-technical-provisions

Der Leitfaden Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung wird demnächst veröffentlicht

Die Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung stellt einen wesentlichen Teil des österreichischen Versicherungsmarktes dar. Während für andere Sparten oftmals zahlreiche aktuarielle Schriften und Lehrbücher vorliegen – beispielsweise wird man in der Lebensversicherung kaum am „Gerber“ vorbeigekommen sein – stehen Aktuar:innen in der Krankenversicherung deutlich weniger Unterlagen zur Verfügung. Die Werke von Bohn und Becker mögen manche gelesen haben, jedoch haben in Österreich die meisten das 1×1 der Krankenversicherungsmathematik wohl von Karl Metzger und seinem Skriptum gelernt. Gleichzeitig ermöglichen weder das Verständnis der Lebensversicherungsmathematik noch der deutschen privaten Krankenversicherung ein vollständiges aktuarielles Bild der österreichischen lebenslangen privaten Krankenversicherung. Auch das Gesetz, v.a. das VersVG und das VAG, bietet zwar wesentliche Anhaltspunkte, lässt aber gleichzeitig viele Fragen der Praxis unbeantwortet, die für Aktuar:innen von größter Bedeutung sind.

Es bestand daher Bedarf, anerkannte Methoden, welche insbesondere die Tarifierung am österreichischen Markt behandeln und über das 1×1 hinaus gehen, in einem Best Practice Dokument festzuhalten und Fragestellungen zu behandeln, die bisher in keinem Lehrbuch beantwortet wurden. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2020 innerhalb der AVÖ der Unterarbeitskreis „Krankenversicherung“ gegründet, in dem sich zwei Jahre lang insgesamt 14 fachkundige Aktuar:innen regelmäßig ausgetauscht haben. Wir haben Sichtweisen diskutiert, Lesarten kritisch hinterfragt, und Methoden erarbeitet, bis wir im April 2022 dem Vorstand der AVÖ einen Entwurf des Leitfadens vorlegen konnten. Dieser war von Mai bis August in Begutachtung, im Rahmen derer alle Mitglieder der AVÖ Feedback rückmelden konnten. Nach einem Feinschliff ist der Leitfaden nun fertiggestellt und wird demnächst auf der Homepage der AVÖ veröffentlicht.

Wesentliche Themenbereiche des Leitfadens sind Tarifkalkulation und Tarifanpassung bzw. Konvertierungen, wobei wir uns auf die UGB/VAG Sichtweise konzentriert haben. Die Best Estimate Bewertung war bewusst nicht im Fokus und könnte bei etwaigen Ergänzungen bzw. Erweiterungen des Dokuments behandelt werden. Bezüglich der Tarifkalkulation werden Methoden zur Herleitung von Rechnungsgrundlagen und die Prämienberechnung in ihren Grundzügen beschrieben. Ebenso wird auf die Bedeutung und Herleitung von statistisch aussagekräftigen Daten eingegangen. Fachbegriffe wie Kopfschaden bzw. Kopfschadenreihe und Profile werden nicht nur in mathematischer Notation dargestellt, sondern auch verständlich erklärt. Auf Basis der Prämienberechnung wird die Bildung der Alterungsrückstellung erläutert.

Im Abschnitt der Prämien- und Leistungsanpassung wurden insbesondere die Bestimmungen des VersVG zur vertraglichen Vereinbarung von Anpassungsklauseln aus aktuarieller Sicht behandelt. Hier lässt der Gesetzestext viele Fragen der Anwendung offen, die im Unterarbeitskreis behandelt und wo möglich aktuariell beantwortet wurden. Zusätzlich wurden auserwählte Gesetzestexte aktuariell interpretiert bzw. aktuarielle Auslegungen beschrieben. Ebenso wird auf die Behandlung von Vertragskonvertierungen eingegangen.

Die intensive Arbeit an diesem Leitfaden war zu jeder Zeit spannend und hat uns sehr verbunden! Wir konnten Sichtweisen austauschen, viel voneinander lernen, und schließlich die besten Methoden und Lösungen im Dokument festhalten. Wir möchten uns bei allen Teilnehmenden des Unterarbeitskreises herzlich für die Mitarbeit und das Engagement bedanken und hoffen, dass dieser Leitfaden nicht nur eine gute Grundlage für in der österreichischen privaten Krankenversicherung tätige Aktuar:innen bilden wird, sondern auch das Verständnis für die Spezifika der Krankenversicherung innerhalb der gesamten aktuariellen Gemeinschaft fördern wird.

IFRS 17 Ergebnisse verstehen und kommunizieren

Am 1. Jänner 2023 tritt nach über 20 Jahren Entwicklungszeit der Internationale Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge IFRS 17 in Kraft. Der IFRS 17 unterscheidet sich in seiner Grundkonzeption als prinzipienorientierter Standard ganz wesentlich vom bisherigen IFRS 4. Aktuar:innen waren in den letzten Jahren sehr intensiv bei der Implementierung involviert und werden auch künftig eine wesentliche Rolle bei der Bilanzierung nach IFRS 17 spielen.

Werner Matula, Chief Actuary der VIG, spricht im Interview über die Herausforderungen aus Sicht einer Versicherungsgruppe, die über 50 Tochtergesellschaften auf den Weg mit IFRS17 bringen muss. Ulrike Ebner, als Vertreterin der größten Tochtergesellschaft Wiener Städtische Versicherung, spricht über ihre Erfahrungen aus Perspektive einer Sologesellschaft.

 

AVÖ: Welche Herausforderungen brachte die Implementierung bzw. bringt das Inkrafttreten des IFRS17 Standards mit sich?

Werner Matula: Wir sehen uns mit fachlichen und technischen Herausforderungen konfrontiert. Aus Sicht einer Versicherungsgruppe macht der hohe Aggregationslevel die Analyse, Interpretation und Validierung von Ergebnissen – vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung – sehr schwer.

Ulrike Ebner: Eine der größten fachlichen Herausforderungen ist, dass nicht alle lokalen Besonderheiten aus einem internationalen Standard klar ableitbar sind. Beispielsweise das Bewertungsmodell für die österreichische Krankenversicherung wurde zwischen allen beteiligten Stakeholdern lange diskutiert bis letztendlich ein gemeinsamer einheitlicher Ansatz für Österreich gefunden wurde. Hingegen konnte für das für das österreichische Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft mit Beteiligungsmechanismen gemeinsam mit anderen europäischen Ländern eine Lösung auf europäischer Ebene in Form des Carve-Out für Jahreskohorten gefunden werden.

 

AVÖ: Und mit technischen Herausforderungen sind wohl IT-Themen gemeint?

Werner Matula: Wir verstehen darunter nicht nur verschiedene Softwarekomponenten, sondern vor allem auch die entsprechenden Prozesse, Schnittstellen, Datenmodelle usw. Als Aktuar:innen sind wir in erster Linie für die Cashflow-Modelle verantwortlich, haben aber für das versicherungstechnische Nebenbuch maßgeblich an der Definition und Konfiguration mitgewirkt.

Ulrike Ebner: Die Berichtsanforderungen der Gruppe erfordern einen hohen Detailgrad an Daten, der Trend zu mehr zentralisierten Lösungen erfordert die Umsetzung umfangreicher Datenhaltungssysteme und führt aufgrund der hohen Menge und Granularität der Daten mitunter zu trägeren und unflexibleren Abläufen bei der Berichtserstellung als dies bisher der Fall war.

 

AVÖ: Wird bei diesen umfangreichen Daten die Unternehmenssteuerung nicht wesentlich komplexer?

Werner Matula: IFRS 17 ist der maßgebliche Standard für den Gruppenabschluss und somit natürlich in der Unternehmenssteuerung zu berücksichtigen. Die wesentlichsten Treiber der Gewinn- und Verlustrechnung müssen durch passende KPIs leicht erfassbar gemacht werden. Es wird altbekannte KPIs geben, wie etwa eine Combined Ratio in der Nichtlebensversicherung. Andererseits bieten sich auch neue KPIs an, insbesondere wird die CSM in der Lebens- und Krankenversicherung eine wichtige Kenngröße sein. Trotz allem bleiben herkömmliche Steuerungsparameter, vor allem aus Solvency II oder lokalen Rechnungslegungsstandards erhalten. Somit wird die Unternehmenssteuerung bestimmt komplexer.

Ulrike Ebner: IFRS 17 als marktwertbasierter Standard unterscheidet sich bereits im Grundansatz ganz wesentlich von UGB. Das macht eine Überleitung einer GuV von UGB auf IFRS17 unmöglich, zumal schon die Grundstruktur der GuV aus IFRS17 sich in einem vollkommen neuen Kleid präsentiert. Sehr wohl sind aber Elemente, die wir aus der Eigenmittelbilanz nach SII kennen, auch im IFRS 17 zu finden und vermitteln ein bisschen ein Gefühl von „Vertrautheit“.

 

AVÖ: Hat sich die Rolle der Aktuar:innen verändert oder erweitert?

Werner Matula: Grundsätzlich sind Aktuar:innen durch Solvency II oder MCEV schon mit dem Konzept Best Estimate Bewertungen und mit Marktwertbilanzierung vertraut. Wir haben immer eine Sicht auf die die gesamte Bilanz und GuV, egal nach welchem Standard. IFRS 17 erfordert nun aber eine noch engere Zusammenarbeit mit Rechnungslegern, um die Konsistenz zwischen „Actual“ und „Expected“ sicherzustellen. Aktuar:innen werden zukünftig eine wesentliche Rolle bei der Erstellung eines IFRS17 Abschlusses spielen.

Ulrike Ebner: Die GuV nach IFRS 17 weist das versicherungstechnische Ergebnis und das Finanzergebnis getrennt aus. Vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung kommt vordergründig der VFA zur Anwendung und hier spielt auch das Zusammenspiel mit der Aktivseite eine ganz bedeutende Rolle, dies erfordert somit auch ein Grundverständnis der Aktuar:innen von IFRS9. Aktuar:innen werden zukünftig sehr eng in die Ergebnisanalyse der GuV eingebunden sein, da der größte Teil der GuV Positionen aus den aktuariellen Bewertungsmodellen kommt.

Generalversammlung 2022

Die AVÖ-Generalsversammlung wurde von spannenden Vorträgen zu aktuellen Themen wie klimabedingte Risiken, Sterblichkeiten und demographische Prognosen für Wien, Inflation und Zinsen und COVID19-Simulationen eingeleitet. Anschließend gab es eine Übersicht zu den verschiedenen Tätigkeitsberichten und die Berichte von Kassier Rainer Kaufmann und ÖFdV-Geschäftsführer Dr. Reinhold Kainhofer.

Informationen und Berichte können im Mitgliederbereich eingesehen werden.