Tägliche Archive: 04/12/2025

1 Beitrag

Der Solvency II Review nimmt Fahrt auf

Ziele des Solvency II Reviews

Die Kernthemen des Solvency‑II‑Review sind:

  • Langfristige Nachhaltigkeit und Finanzstabilität: Langfristige und nachhaltige Finanzierungen sollen gefördert und die Risikosensitivität verbessert werden. Die übermäßige kurzfristige Volatilität der Solvabilität von Versicherern gemindert und die Qualität, Kohärenz und Koordination der Versicherungsaufsicht in der EU verbessert werden.
  • Integration von Nachhaltigkeitsrisiken: Die Richtlinie betont die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Versicherern. Versicherer sollen zur Szenarioanalyse zum Klimawandel verpflichtet werden, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsrisiken konsequent berücksichtigt werden.
  • Proportionalitätsmaßnahmen: Die Richtlinie führt Proportionalitätsmaßnahmen ein, die auch für Unternehmen offenstehen, die nicht als kleine und nicht komplexe Unternehmen eingestuft sind, aber für die bestimmte Anforderungen der Richtlinie 2009/138/EG zu kostspielig und komplex sind.
  • Verbesserung der Gruppenaufsicht: Die Richtlinie sieht vor, dass die Gruppenaufsicht auf der Grundlage der konsolidierten Lage von Versicherungsholdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften angewendet wird. Sie stellt sicher, dass die für die Gruppenaufsicht zuständigen Behörden über angemessene Aufsichts- und Durchsetzungsbefugnisse verfügen.
  • Makroprudenzielle Instrumente: Die Richtlinie betont die Bedeutung makroprudenzieller Überlegungen und Analysen in den Versicherungs-, Anlage- und Risikomanagementtätigkeiten von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen.

Aktueller Status im Solvency II Review & In-Kraft-Treten der neuen Bestimmungen

Im Januar 2025 wurde die geänderte Solvency-II-Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Am 29. Oktober 2025 wurde die geänderte Level‑2‑Verordnung durch die Kommission veröffentlicht; die amtliche Veröffentlichung steht allerdings noch aus (wobei keine wesentlichen Änderungen mehr erwartet werden).

Am 29. Januar 2027 endet die Frist für die Umsetzung der geänderten Solvency-II-Richtlinie in nationales Recht. Am 30. Januar 2027 treten die neuen Vorschriften in Kraft, die Bestimmungen sind also erstmalig im Geschäftsjahr 2027 anzuwenden.

 

Parallel zur Umsetzung der geänderten Level 1 Richtlinie in nationales Recht, müssen auch noch Level 2.5 (ITS, RTS) und Level 3 (Richtlinien) angepasst werden; z.B. müssen auch noch die QRTs und die damit zusammenhängende Taxonomie final angepasst werden.

Präzisierungen in der geänderten Level-2-Verordnung hinsichtlich Säule 1

Im Oktober 2025 hat die Europäische Kommission die geänderte Level‑2‑Verordnung veröffentlicht. Damit werden die in der geänderten Solvency‑II‑Richtlinie (Level 1) angeführten Anpassungen am Solvency II Regelwerk nun präzise ausgestaltet. Für Säule 1 bedeutet das: Die Bewertungsmethoden sind nun endlich vollständig und detailliert beschrieben – ein wichtiger Schritt, um fundierte Modellrechnungen und Impact‑Analysen durchführen zu können.

Dies betrifft insbesondere die folgenden inhaltlichen Themen:

Risikofreie Zinskurve und Extrapolation

  • Neue Extrapolationsmethode: Künftig werden auch Marktdaten nach dem Last Liquid Point (LLP) berücksichtigt (EUR: 20 Jahre). Für Details siehe die Artikel 43a, 44-47 und 49 der geänderten Level-2-Verordnung. Ein stufenweises „Phasing-in“ ist möglich, vorbehaltlich einer Genehmigung nach Art. 77a RRL; Details dazu finden sich in der Level-2-Verordnung (u.a. Artikel 46a).
  • Erwartete Auswirkung: Die geänderte risikolose Zinskurve wird „am langen Ende“ leicht unter der bisherigen Zinskurve liegen und folglich den Best Estimate erhöhen. Beim momentanen (höheren) Zinsumfeld, ist der Unterschied zwischen den beiden Zinskurven aber nicht mehr so signifikant wie im Niedrigzinsumfeld.

Volatility Adjustment (VA)

  • Zur stärkeren Dämpfung kurzfristiger Spread-Volatilität wird der Vorfaktor von 65 % auf 85 % angehoben. Für den EUR wird es eine zusätzliche „Makrokomponente“ geben. Für Details siehe Artikel 50, 51, 51a und 51b der geänderten Level-2-Verordnung.
  • Zudem gibt es die Möglichkeit einer unternehmensspezifischen Anpassung des Volatility Adjustments, welche sich aus dem Vergleich des „Branchenportfolios“ für die Ermittlung des VA mit dem eigenen Portfolio ergibt. Dieses ist jedoch genehmigungspflichtig und hierfür müssen gewisse Kriterien erfüllt sein, siehe Artikel 77d Absatz 1c der geänderten Level-2-Verordnung.
  • Erwartete Auswirkung: Stabilere Eigenmittel durch ein robusteres VA.

Risikomarge

  • Wie bereits in der geänderten Rahmenrichtlinie angeführt ist (Artikel 77 (5a)) wird der Kapitalkostensatz (CoC-Satz) von derzeit 6% auf 4,75% gesenkt.
  • Zudem wird ein exponentieller und zeitabhängiger Lambda-Faktor ergänzt und dieser nun in Artikel 37(1) der geänderten Level-2-Verordnung spezifiziert als:

  • Erwartete Auswirkung: Durch den reduzierten CoC-Satz kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Risikomarge. Auch der neue Lambda-Faktor trägt dazu bei, dass die Risikomarge kleiner wird, auch wenn dieser Effekt durch den Floor von 50% (war in der geänderten Rahmenrichtlinie nicht angeführt) nun etwas geschmälert wird.

Zinsrisiko

  • Die Ermittlung des Zinsrisikos erfolgt nun basierend aus einer Kombination aus absoluten und relativen Schocks (sowohl im „up“ als auch im „down“ Szenario). Die konkreten Faktoren sind in den Artikel 167 und 168 der geänderten Level-2-Verordnung zu finden.
  • Zudem wird ein negatives Zinsumfeld nun explizit berücksichtigt (bisher musste bei Laufzeiten mit negativen Zinsen kein „Zins down“ Stress angesetzt werden).
  • Erwartete Auswirkung: Die gestresste „Zins down“ Zinskurve wird deutlich sinken. Für jene Unternehmen, bei denen „Zins down“ das maßgebliche Zinsrisiko ist, wird das Zinsrisiko daher merklich ansteigen. Allerdings wird der Effekt in dem Fall durch die geänderte Korrelationsmatrix im Marktrisiko (siehe unten) etwas abgeschwächt.

Aktienrisiko

  • In der geänderten Rahmenrichtlinie wurde eine neue „Aktienkategorie“ eingeführt – langfristige Aktieneinlagen („Long-term Equity Investments“; siehe Artikel 105a) – um Versicherer zu Investitionen in die Realwirtschaft zu ermutigen. Für diese Investments gilt ein reduzierter Risikofaktor von 22%, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, wie z.B. die Haltedauer von mindestens 5 Jahren. Bisher waren langfristige Aktieninvestments nur durch die Level-2-VO abgedeckt.
  • Die Kriterien hierfür (siehe Artikel 171a-171d der geänderten Level-2-Verordnung) sind nun „einfacher“ zu erfüllen wie die Kriterien für die Einstufung als „langfristige Aktieninvestments“ gemäß der ursprünglichen Level-2-VO (siehe Artikel 171a der ursprünglichen Level-2-VO).
  • Der Korridor für die symmetrische Anpassung wird von -/+10% auf -/+13% erweitert (siehe Artikel 172 der geänderten Level-2-Verordnung).
  • Erwartete Auswirkung: Diese neue „Aktienkategorie“ bietet Versicherern mit einer Buy-and-Hold-Strategie die Möglichkeit, Risikokapital zu reduzieren und gleichzeitig prozyklische Kapitalauswirkungen bei Marktschwankungen mehr abzuschwächen als bisher.

Korrelationsmatrix für das Marktrisiko

  • Die Korrelationsmatrix für das Marktrisiko wurde bei der Korrelation zwischen dem Spread- und dem Zinsrisiko im „Zins down Szenario“ von 0,5 auf 0,25 abgesenkt (siehe Artikel 164 der geänderten Level-2-Verordnung).

 

Überblick über die Änderungen in der Säule 2

Im Bereich der Governance werden die Anforderungen an den Vorstand um eine Strategie zur Förderung der Vielfalt erweitert, einschließlich der Festlegung individueller quantitativer Ziele für eine ausgewogene Geschlechtervertretung. Die Möglichkeit, Governance-Funktionen in Personalunion innezuhaben, wird auf kleine und nicht komplexe Versicherungsunternehmen beschränkt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Überarbeitung ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken. Versicherungsunternehmen müssen Transitionspläne entwickeln, die quantifizierbaren Ziele und Verfahren festlegen und deren Umsetzung überwachen. Diese Pläne sollen sicherstellen, dass finanzielle Risiken aus Nachhaltigkeitsfaktoren laufend überwacht werden, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Nachhaltigkeitsrisiken müssen auch in die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung („ORSA“) integriert werden, einschließlich der Berücksichtigung von mindestens zwei langfristigen Klimawandelszenarien. Es ist davon auszugehen, dass Aktuar:Innen hier maßgeblich mitarbeiten werden.

Die Überarbeitung der Solvency II-Richtlinie umfasst auch die Einführung eines Liquiditätsrisikomanagements, das sicherstellen soll, dass Versicherungsunternehmen auch unter Stressbedingungen über ausreichend Liquidität verfügen. Der Liquiditätsrisikomanagementplan muss

kurz-, mittel- und langfristige Risiken abdecken, wobei für die mittel- und langfristigen Risiken noch technische Regulierungsstandards folgen werden.

Weiters wurde das Proportionalitätsprinzip deutlich ausgedehnt und definiert nun sogenannte „kleine und nicht komplexe Versicherungsunternehmen“ für die vereinfachte oder reduzierte Solvency II Bestimmungen gelten. Die Limite für „kleine Versicherungen“, die nicht unter Solvency II fallen, wurden zudem deutlich angehoben.

 

Überblick über die Änderungen in der Säule 3

SFCR & RSR

Durch die Trennung des SFCRs in einen Teil für Versicherungsnehmer und einen Teil für Experten, soll der SFCR auch für das „Nicht-Fachpublikum“ leichter verständlich / besser lesbar sein (siehe Artikel 292 (2) der geänderten Level-2-Verordnung). Durch die Trennung des SFCRs in diese zwei Teile, wird das gesamte Layout (Gliederung) geändert.

Hinzu kommt, dass der SFCR selektiv um Nachhaltigkeitsrisiken erweitert wird.

Durch „Vereinheitlichung“ von dem SFCR und dem RSR soll der Aufwand für die Unternehmen reduziert werden.

Fristen und Reporting:

Die Meldefristen für den SFCR und den RSR wurden verlängert, um den Unternehmen entgegenzukommen (siehe Artikel 35, 35b und 51 der geänderten Rahmenrichtlinie).

  • SFCR und RSR: Veröffentlichung zu YE + 18 Wochen (bisher: + 14 Wochen) bzw. beim RSR + 24 Wochen für Gruppen-RSR.
  • QRTs:
    • Jährliche QRTs: Veröffentlichung zu YE + 16 Wochen
    • Quartalsweise QRTs: Veröffentlichung zu YE + 5 Wochen

QRTs

Im Bereich der QRTs kommt es zu folgenden Änderungen:

  • Verringerung der Datenpunkte in den QRTs, falls diese bisher in zwei verschiedenen QRTs abgefragt wurden
  • Erfassung von NatCat Daten: Ergänzung von zwei neuen QRTs .
  • Anpassung der QRTs an den Solvency II-Review: die QRTs zu Volatility Adjustment und Übergangsmaßnahmen werden angepasst.

Details zur geänderten Gliederung von SFCR und RSR sowie den Anpassungen an den entsprechenden QRTs waren von Juli bis Oktober 2025 in Konsultation (ITS). Das finale Package aller Einreichungen der ITS wird bis März 2026 bei der Kommission eingereicht.

Überblick über die aktuellen Konsultationen

Momentan sind die folgenden Papiere in Konsultation. Rückmeldungen sind noch bis zur ersten Jänner Woche 2026 möglich:

  • Consultation on revised Guidelines on valuation of technical provisions
  • Consultation on RTS on simplified calculation of the risk margin
  • Consultation on revised ITS on disclosures templates to supervisory authorities
  • Consultation on Guidelines on powers to remedy liquidity vulnerabilities
  • Consultation on revised ITS on matching adjustment approval
  • Consultation on revised Guidelines on ring-fenced funds

Wesentliche Handlungsfelder zur Vorbereitung auf das Inkraft-Treten des SII Reviews mit Fokus auf aktuarielle Themengebiete

  • Auswirkungsanalysen – Säule 1: Beobachtung der Entwicklungen im Solvency II Review, insbesondere hinsichtlich Änderungen am „Formelwerk“ für Säule 1. Quantifizierung der Auswirkungen auf die versicherungstechnischen Rückstellungen, Eigenmittel, SCR und Solvenzquote.
  • Integration von Nachhaltigkeitsrisiken: Mitwirkung bei der Erstellung eines Sustainability risk plans, insbesondere bei der Quantifizierung der ESG-Risiken und der Berechnung der Auswirkung der ESG-Szenarien auf die Solvabilität.
  • Reporting: Anpassung der Berichterstattung – insbesondere, wenn vereinfachte Berichts- und Offenlegungspflichten angewendet werden – aber auch in Verbindung mit Nachhaltigkeitsrisiken, Liquiditätsrisikomanagement, makroprudentiellen Instrumenten, sowie hinsichtlich der geänderten SFCR-/RSR-Struktur und der QRTs.