Das Niedrigzinsumfeld, die steigende Menge an verfügbaren Daten, die Digitalisierung – all das sind Gründe für die immer wichtiger werdende Rolle der Aktuarinnen und Aktuare, nicht zuletzt auch der Non-Life-Pricing-AktuarInnen. Die Tarifierung ist kein Spiel, bei dem der Preis “Pi mal Daumen” geschätzt werden kann. Um sich einen kompetitiven Vorteil in der Branche zu sichern, sind immer ausgeklügeltere und dynamischere Modelle gefragt.
Vor ein paar Jahren noch kam ein Großteil des Versicherungsgewinns aus dem Kapitalanlageergebnis der Prämien. Durch die hohen Renditen konnte das versicherungstechnische Ergebnis der Schaden- und Unfallversicherung nachrangig behandelt werden und eine korrekte Preisgestaltung wurde daher oft vernachlässigt. Durch das bestehende Niedrigzinsumfeld wird die Tarifierung, als wesentlicher Treiber der Profitabilität in der Non-Life-Versicherung, nun immer mehr in den Fokus gerückt. Eine richtige Tarifierungsmethodik gibt es dabei nicht, Pricing-AktuarInnen können aus einer Vielzahl von Algorithmen und Modellen wählen, die je nach Markt und Produkt unterschiedlich gut geeignet sind. Zum Beispiel ist die Komplexität eines KFZ-Tarifs im preissensitiven Polen mit keinem der österreichischen Tarife vergleichbar.
Digitalisierung erleichtert Anbieterwechsel
Auch die Digitalisierung schafft neue Herausforderungen für die Pricing-AktuarInnen. Kundinnen und Kunden können Versicherungsprämien nun ganz einfach auf Online-Plattformen vergleichen und zu billigeren Anbietern wechseln. Der sogenannte Rang der Prämie im direkten Branchenvergleich wird wettbewerbsentscheidend, wobei Produktbesonderheiten nach und nach außer Acht gelassen werden. Die Versicherungsunternehmen sind gezwungen, im Preiskampf zu konkurrieren, was wiederum Druck auf die Tarifierung ausübt.
Durch die gesteigerte Marktdynamik werden die Versicherungsprämien auch oft nicht mehr nur jährlich angepasst, sondern viel häufiger. Die Tarifierung entwickelt sich also von einem jährlichen Projekt zu einem immerwährenden Prozess.
Umgekehrt schafft die Digitalisierung auch einige neue Möglichkeiten für die Tarifierung. Mehr Rechenpower und flexiblere IT-Strukturen erlauben auch komplexere mathematisch-statistische Schätzverfahren für die Tarifmodelle. Zusätzlich können Risiken durch eine regelrechte Explosion von vorhandenen Daten immer besser eingeschätzt und dadurch bepreist werden. Allerdings erfordert die neue Masse an Daten auch neues Spezialwissen, und nicht selten beschäftigen sich AktuarInnen mit Themen wie Rechenzeit, Speicherplatz und effektive Programmierung. Ein wesentlicher Teil der Herausforderung ist also auch, einen schlanken Prozess rund um die Tarifierung aufzubauen.
Transparente Kommunikation trotz steigender Komplexität
Resultierend aus all diesen Trends ergibt sich für Pricing-AktuarInnen oft eine weitere, üblicherweise unterschätzte, neue Aufgabe. Durch die steigende Komplexität der Tarifmodelle wird es immer schwieriger, die aktuariellen Konzepte auch verständlich und transparent zu kommunizieren. Viele Tarifentscheidungen werden nicht immer nur von mathematischen Sachverständigen getroffen, weil die Preissetzung ein Projekt mit vielen verschiedenen Beteiligten ist. Neue Modelle beinhalten üblicherweise auch anspruchsvollere Mathematik, die nicht immer auf Gegenliebe stößt.
Pricing-AktuarInnen wird wohl auch in Zukunft nicht langweilig werden. Um aber auch künftig alle Bereiche der Tarifierung gut abdecken zu können, müssen auch wir uns immerwährend weiterentwickeln und den neuen Gegebenheiten anpassen.
DI Lisa Strasser ist bei UNIQA International im Bereich Pricing & Monitoring tätig und Mitglieder der Sektion Anerkannter Aktuare der AVÖ.