Die private Krankenversicherung wird in Österreich hauptsächlich in Form von lebenslangen Verträgen verkauft und mathematisch nach Art der Lebensversicherung kalkuliert. Da die Kosten für medizinische Leistungen in vielen Fällen altersabhängig sind und mit dem Älterwerden der Versicherten üblicherweise steigen, sehen viele Tarife die Bildung einer Deckungsrückstellung zur Deckung späterer Leistungen vor. Damit wird in jungen Jahren Kapital angespart und später für Leistungen entnommen. Die Deckungsrückstellung wird dabei mit dem Rechnungszins verzinst. Nach dem Grundsatz der Vorsicht ist ein Tarif so zu kalkulieren und die Deckungsrückstellung so zu bilden, dass die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen gewährleistet wird. Damit ist auch der Rechnungszins so zu wählen, dass dieser dauerhaft am Kapitalmarkt erwirtschaftet werden kann.
Aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes veröffentlichte die Finanzmarktaufsicht im Oktober 2020 ein Rundschreiben, das ab 1. Juli 2021 für das Neugeschäft in der Krankenversicherung nach Art der Lebensversicherung einen Rechnungszins von maximal 0,5 % vorsieht (“Höchstzinssatz”). Der bisherige Wert liegt bei 1,0 %. Der Höchstzinssatz bezieht sich dabei auf Neuabschlüsse in der Einzelversicherung und auf neu hinzukommende Versicherte in Gruppenkrankenversicherungsverträgen, wobei für letztere eine Übergangsfrist von bis zu einem Jahr eingeräumt wurde.
Auffällig ist, dass der seitens der FMA gebilligte Wert von 0,5 % in der Krankenversicherung damit auf das Niveau des Höchstzinssatzes der Lebensversicherung gesenkt wurde. Und das, obwohl die durchschnittliche Vertragslaufzeit in der Krankenversicherung jene in der Lebensversicherung im Regelfall deutlich übersteigt, wodurch längere Laufzeiten in der Kapitalveranlagung möglich sind, welche wiederum zu höheren erwarteten Erträgen führen. Ein Grund für die doch deutliche Senkung auf 0,5 % wird im Rundschreiben selbst angeführt: Der Rechnungszins ist so zu wählen, dass die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen auch im Fall einer nachteiligen Entwicklung der Kapitalmärkte gewährleistet wird.
Notiz zur Historie: Über Jahrzehnte lag der in der privaten Krankenversicherung in Österreich übliche Rechnungszins bei 3 %, bevor er entsprechend den jeweiligen FMA-Rundschreiben 2014 auf 2,5 %, 2016 auf 1,75 % und 2018 auf 1 % gesenkt wurde.
Autor: DI Stefan Reicher, UNIQA Österreich Versicherungen AG