Werner Matula

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IFRS 17 Ergebnisse verstehen und kommunizieren

Am 1. Jänner 2023 tritt nach über 20 Jahren Entwicklungszeit der Internationale Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge IFRS 17 in Kraft. Der IFRS 17 unterscheidet sich in seiner Grundkonzeption als prinzipienorientierter Standard ganz wesentlich vom bisherigen IFRS 4. Aktuar:innen waren in den letzten Jahren sehr intensiv bei der Implementierung involviert und werden auch künftig eine wesentliche Rolle bei der Bilanzierung nach IFRS 17 spielen.

Werner Matula, Chief Actuary der VIG, spricht im Interview über die Herausforderungen aus Sicht einer Versicherungsgruppe, die über 50 Tochtergesellschaften auf den Weg mit IFRS17 bringen muss. Ulrike Ebner, als Vertreterin der größten Tochtergesellschaft Wiener Städtische Versicherung, spricht über ihre Erfahrungen aus Perspektive einer Sologesellschaft.

 

AVÖ: Welche Herausforderungen brachte die Implementierung bzw. bringt das Inkrafttreten des IFRS17 Standards mit sich?

Werner Matula: Wir sehen uns mit fachlichen und technischen Herausforderungen konfrontiert. Aus Sicht einer Versicherungsgruppe macht der hohe Aggregationslevel die Analyse, Interpretation und Validierung von Ergebnissen – vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung – sehr schwer.

Ulrike Ebner: Eine der größten fachlichen Herausforderungen ist, dass nicht alle lokalen Besonderheiten aus einem internationalen Standard klar ableitbar sind. Beispielsweise das Bewertungsmodell für die österreichische Krankenversicherung wurde zwischen allen beteiligten Stakeholdern lange diskutiert bis letztendlich ein gemeinsamer einheitlicher Ansatz für Österreich gefunden wurde. Hingegen konnte für das für das österreichische Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft mit Beteiligungsmechanismen gemeinsam mit anderen europäischen Ländern eine Lösung auf europäischer Ebene in Form des Carve-Out für Jahreskohorten gefunden werden.

 

AVÖ: Und mit technischen Herausforderungen sind wohl IT-Themen gemeint?

Werner Matula: Wir verstehen darunter nicht nur verschiedene Softwarekomponenten, sondern vor allem auch die entsprechenden Prozesse, Schnittstellen, Datenmodelle usw. Als Aktuar:innen sind wir in erster Linie für die Cashflow-Modelle verantwortlich, haben aber für das versicherungstechnische Nebenbuch maßgeblich an der Definition und Konfiguration mitgewirkt.

Ulrike Ebner: Die Berichtsanforderungen der Gruppe erfordern einen hohen Detailgrad an Daten, der Trend zu mehr zentralisierten Lösungen erfordert die Umsetzung umfangreicher Datenhaltungssysteme und führt aufgrund der hohen Menge und Granularität der Daten mitunter zu trägeren und unflexibleren Abläufen bei der Berichtserstellung als dies bisher der Fall war.

 

AVÖ: Wird bei diesen umfangreichen Daten die Unternehmenssteuerung nicht wesentlich komplexer?

Werner Matula: IFRS 17 ist der maßgebliche Standard für den Gruppenabschluss und somit natürlich in der Unternehmenssteuerung zu berücksichtigen. Die wesentlichsten Treiber der Gewinn- und Verlustrechnung müssen durch passende KPIs leicht erfassbar gemacht werden. Es wird altbekannte KPIs geben, wie etwa eine Combined Ratio in der Nichtlebensversicherung. Andererseits bieten sich auch neue KPIs an, insbesondere wird die CSM in der Lebens- und Krankenversicherung eine wichtige Kenngröße sein. Trotz allem bleiben herkömmliche Steuerungsparameter, vor allem aus Solvency II oder lokalen Rechnungslegungsstandards erhalten. Somit wird die Unternehmenssteuerung bestimmt komplexer.

Ulrike Ebner: IFRS 17 als marktwertbasierter Standard unterscheidet sich bereits im Grundansatz ganz wesentlich von UGB. Das macht eine Überleitung einer GuV von UGB auf IFRS17 unmöglich, zumal schon die Grundstruktur der GuV aus IFRS17 sich in einem vollkommen neuen Kleid präsentiert. Sehr wohl sind aber Elemente, die wir aus der Eigenmittelbilanz nach SII kennen, auch im IFRS 17 zu finden und vermitteln ein bisschen ein Gefühl von „Vertrautheit“.

 

AVÖ: Hat sich die Rolle der Aktuar:innen verändert oder erweitert?

Werner Matula: Grundsätzlich sind Aktuar:innen durch Solvency II oder MCEV schon mit dem Konzept Best Estimate Bewertungen und mit Marktwertbilanzierung vertraut. Wir haben immer eine Sicht auf die die gesamte Bilanz und GuV, egal nach welchem Standard. IFRS 17 erfordert nun aber eine noch engere Zusammenarbeit mit Rechnungslegern, um die Konsistenz zwischen „Actual“ und „Expected“ sicherzustellen. Aktuar:innen werden zukünftig eine wesentliche Rolle bei der Erstellung eines IFRS17 Abschlusses spielen.

Ulrike Ebner: Die GuV nach IFRS 17 weist das versicherungstechnische Ergebnis und das Finanzergebnis getrennt aus. Vor allem in der Lebens- und Krankenversicherung kommt vordergründig der VFA zur Anwendung und hier spielt auch das Zusammenspiel mit der Aktivseite eine ganz bedeutende Rolle, dies erfordert somit auch ein Grundverständnis der Aktuar:innen von IFRS9. Aktuar:innen werden zukünftig sehr eng in die Ergebnisanalyse der GuV eingebunden sein, da der größte Teil der GuV Positionen aus den aktuariellen Bewertungsmodellen kommt.